Zentralbanken in der Kritik – Die große Angst vor der Geldflut
Die uferlose Geldschöpfung der Zentralbanken macht immer mehr Menschen Angst. Langsam formiert sich Widerstand – und alte Ideen werden wieder populär.
Die rund 70 gebildeten Herrschaften, die sich an einem Novembertag in Berlin-Mitte versammelt haben, vereint vor allem eines: ihr gemeinsames Feindbild. Sie debattieren über das „fraktionale Reservesystem“, also die Art und Weise, wie das Geld heutzutage in die Welt kommt. Die versammelten Volkswirte der „Vollgeld-Initiative“ machen es für ziemlich alles verantwortlich, was aus ihrer Sicht in den Finanzzentren der Welt schiefläuft. „Spätestens in der Finanzkrise hat sich bei mir der Verdacht verdichtet, dass nicht die Akteure, sondern das System selbst zum Problem geworden ist“, spricht Thomas Mayer in den Saal des Tagungszentrums. Applaus kommt zurück. Mayer war bis vor zwei Jahren Chefvolkswirt der Deutschen Bank, für die versammelten Vertreter der Vollgeld-Initiative ist er so etwas wie die Eintrittskarte ins Establishment. Gerade hat Mayer sein Buch „Die neue Ordnung des Geldes“ veröffentlicht, eine Abrechnung mit dem aktuellen Finanzsystem. Wenn nun schon ein Insider wie Mayer ihnen die Ehre erweist, dann kann es nicht mehr weit sein bis zur Revolution. Mayer fährt fort: „Seitdem habe ich nach einem Hammer gesucht, mit dem ich den Nagel in die Wand schlagen kann –bei Ihnen bin ich fündig geworden.“
Es spricht einiges dafür, dass die Initiative bald noch mehr Gehör findet. Der Ritterschlag durch Ökonom Mayer ist nur ein Anzeichen des Unwohlseins, das vielerorts in Europa um sich greift: Wie lange kann es noch gut gehen, dass Banken und Zentralbanken mit utopisch klingenden Geldsummen um sich werfen? Welchen Schaden richtet ein System an, in dem Notenbanken und Geschäftsbanken quasi auf Knopfdruck Geld in die Welt schießen, das anschließend die Preise von Aktien, Immobilien und Waren in die Höhe treibt?
In der Schweiz steht in einer Woche eine Initiative zur Abstimmung, die diesem Unwohlsein erstmals eine Stimme geben wird. Die Goldinitiative will die Schweizerische Nationalbank (SNB) verpflichten, mindestens 20 Prozent ihrer Reserven in Gold zu halten – und nie wieder Gold zu verkaufen. Schon jetzt versetzt die Initiative die Märkte in Aufruhr, die Kurse für Gold und Schweizer Franken sind umkämpft wie lange nicht. Der Grund: Kommt die Initiative durch, müsste die SNB Gold nachkaufen, um dessen Anteil an den Währungsreserven von derzeit 7,5 Prozent auf die angestrebten 20 Prozent aufzustocken. Das könnte dem Goldpreis mächtig Auftrieb geben.
Doch damit nicht genug. Eine Goldquote legte der SNB Fesseln an. Ihr Ziel, den Franken-Wechselkurs zum Euro nicht unter 1,20 sacken zu lassen, wäre kaum mehr zu realisieren. Um den Wechselkurs gegen den Aufwertungsdruck zu verteidigen, hat die SNB bisher in großem Stil Euro gekauft und das Bankensystem mit Franken geflutet. In Zukunft müsste sie bei Interventionen am Devisenmarkt neben Euro auch Gold kaufen, um dessen Anteil bei 20 Prozent zu halten.
Für das globale Währungssystem wäre das eine Zäsur. Eine der wichtigsten Notenbanken der Welt verlöre ihre Flexibilität, ihr geldpolitischer Aktionsradius wäre eingeschränkt. Zum ersten Mal seit dem Zusammenbruch des Währungssystems von Bretton Woods 1971 rückte Gold wieder in das Zentrum der Geldpolitik.
Genau das dürfte der Grund sein, warum die Schweizer Goldinitiative prominente Unterstützung aus Amerika erhält. „Die Schweizer sind stolz darauf, wie ihre Vorfahren dafür gekämpft zu haben, eine starke Währung mit einer soliden Golddeckung zu schaffen“, sagt Ron Paul. Paul ist nicht irgendwer. Der ehemalige Kongressabgeordnete und frühere US-Präsidentschaftskandidat ist die Galionsfigur der libertären Bewegung in Amerika. Wie viele Beobachter, denen das zügellose Gelddrucken der großen Notenbanken Bauchschmerzen bereitet, hofft er, dass von der Schweiz ein Signal ausgeht, das rund um den Globus gehört wird. Paul, der in seinem Buch „End the Fed“ für die Abschaffung der US-Notenbank plädiert, ist Anhänger der Österreichischen Schule der Nationalökonomie. Auch Ex-Deutsche-Bank-Chefökonom Mayer hat die Lehren der Österreicher in den vergangenen Jahren für sich entdeckt. Deren wichtigste Vertreter waren Ludwig von Mises, Friedrich von Hayek und Murray Rothbard. Schon zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts analysierte Mises, wie das fraktionale Reservesystem den Banken im Zusammenspiel mit den Zentralbanken die unlimitierte Ausweitung von Geld und Kredit erlaubt – und so zur Ursache von schweren Rezessionen, Bankenkrisen und ungerechtfertigten Umverteilungen von Einkommen und Vermögen geworden ist.
Das Teilreservesystem hat sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt, indem die Banken ihr Einlagen- und Kreditgeschäft vermischten. Anfangs dienten die Banken den Kunden vornehmlich als Depotstellen, denen sie ihr Geld, meist Goldmünzen, zur sicheren Aufbewahrung anvertrauten. Im Gegenzug erhielten sie Einlieferungsscheine oder Banknoten, mit denen sie das Gold jederzeit wieder abheben konnten. Die Noten dienten als Goldsurrogat und konnten zum Kauf von Waren verwendet werden. Wollte ein Kunde einen Kredit, musste die Bank sich zuvor Gold beziehungsweise Banknoten von anderen Kunden leihen. Das hatte zur Folge, dass jeder Kredit zu 100 Prozent durch Ersparnisse in Form von Gold gedeckt war.
Als die Banken jedoch feststellten, dass die Kunden ihre Goldbestände länger als erwartet bei ihnen horteten, gingen sie dazu über, Banknoten per Kredit auszugeben – ohne dass entsprechende Einzahlungen von Ersparnissen zugrunde lagen. Auf diese Weise brachten sie mehr Banknoten in Umlauf, als an Gold verfügbar war.
Faktisch stellten sie den Kreditnehmern damit einen Einlöseanspruch auf das Gold anderer Personen aus. Nach Ansicht des spanischen Ökonomen Jesús Huerta de Soto handelte es sich dabei um einen „illegitimen Akt der Veruntreuung“. Weil die umlaufenden Banknoten nur zum Teil durch Gold gedeckt waren (Teilreservesystem), waren die Banken anfällig für Krisen. Gerieten sie in Schwierigkeiten und bemerkten die Kunden, dass die Banknoten nur zum Teil gedeckt waren, setzte ein Run auf die Goldreserven ein, der viele Banken am Ende in die Pleite trieb.
Die Ökonomen der Currency-Schule, die in der Tradition David Ricardos standen, erkannten die fatalen Folgen des Teilreservesystems. Daher setzten sie 1844 in Großbritannien mit dem Peel’schen Bankgesetz durch, dass alle Banknoten voll durch Gold gedeckt sein mussten. Allerdings vergaßen sie, auch die Sichteinlagen der Banken einer vollen Deckung zu unterwerfen. Dadurch konnten die Banken weiter Kredite aus dem Nichts in Form von Sichteinlagen vergeben. Die Folge: Großbritannien und andere Länder taumelten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von einer Bankenkrise in die nächste. Um den Schaden einzudämmen, riefen Banker und Politiker nach einer Zentralbank. Sie sollte als Kreditgeber der letzten Instanz einspringen, wenn die Banken unter dem Ansturm der Kunden zu kollabieren drohten.
Auch das heutige moderne Geldwesen arbeitete nach dem Teilreserveprinzip. Allerdings werden die Reserven nicht mehr in Gold, sondern in Zentralbankgeld gehalten. In der Praxis sieht das so aus: Vergibt eine Bank einen Kredit, entsteht auf der Aktivseite ihrer Bilanz eine Forderung gegen den Kunden. Auf der Passivseite wird der Betrag dem Kundenkonto gutgeschrieben.
In der Euro-Zone muss die Bank auf die Sichteinlage ihrer Kunden eine Reserve von einem Prozent bei der Zentralbank halten (Mindestreserve). Das dafür benötigte Zentralbankgeld leiht sie sich von der Europäischen Zentralbank. So kann die Bank mit 100 Euro Zentralbankgeld durch die Vergabe von Krediten 10 000 Euro an Sichteinlagen „schöpfen“. Für die Banken ist das Teilreservesystem eine gigantische Geldproduktionsmaschine, an der sie bestens verdienen.
Dass die Regierungen dieses System nicht infrage stellen, liegt daran, dass sie zu dessen Hauptprofiteuren zählen. Die von Zentral- und Geschäftsbanken gemeinsam betriebene Kreditschöpfung aus dem Nichts erlaubt es den Regierungen, Kriege zu finanzieren, den Wohlfahrtsstaat aufzublähen, Beamtenheere zu alimentieren und üppige Wahlgeschenke zu verteilen. „Es ist eine Komplizenschaft und Interessenkoalition zwischen Regierungen und Banken entstanden, ein Klima der Kollaboration“, urteilt Huerta de Soto.
Darunter leidet langfristig der Wohlstand der Gesellschaft. In seinen Arbeiten zeigte Mises, wie die Geldschöpfung aus dem Nichts die Zinsen künstlich nach unten drückt, Fehlinvestitionen auslöst und überdrehte Boomphasen erzeugt, die später im Bust enden. Dazu kommt, dass diejenigen, die das aus dem Nichts geschöpfte Geld als Erste erhalten – vorwiegend Banker, Zentralbanker, Beamtenschaft und Großunternehmen – auf Kosten anderer profitieren. Denn sie können Güter noch zu niedrigen Preisen kaufen. Diejenigen, die das frische Geld als Letzte erhalten, sind hingegen die Leidtragenden, da sie erst kaufen können, wenn die Preise bereits gestiegen sind. Auch fördert die inflationstreibende Geldschöpfung aus dem Nichts die Bereitschaft zur Verschuldung. Wer heute weiß, dass er das auf Pump gekaufte Häuschen morgen mit entwertetem Geld zurückzahlen kann, lädt sich gern ein paar Hunderttausend Euro oder Dollar an Schulden auf die Schulter – auch wenn er die Last eigentlich nicht schultern kann.
Angesichts der desaströsen Wirkungen, die das Teilreserve- Bankensystem entfaltet, suchten Ökonomen schon in den Dreißigerjahren nach Wegen, die Geschäftsbanken zu bändigen. 1933 legten die in Chicago lehrenden Ökonomen Frank Knight, Henry Simons und Aaron Director einen als Chicago-Plan bekannt gewordenen Entwurf für ein neues Bankensystem vor. Auf diesen Plänen baute der Ökonom Irving Fisher seinen berühmt gewordenen Vorschlag eines 100-Prozent-Geldes auf. Um die „perverse Elastizität des Kreditgeschäfts“ (Henry Simons) zu beenden, sollten die Banken für ihre Sichteinlagen Reserven in gleicher Höhe bei der staatlichen Zentralbank unterhalten. Dadurch hätte die oberste Währungsbehörde die vollständige Kontrolle über die Kredit- und Geldschöpfung der Banken. Doch die Geschäftsbanken, die um ihre Pfründe bangten, liefen Sturm gegen den Chicago-Plan. Mit massiver Lobbyarbeit verhinderten sie dessen Umsetzung.
Den Ökonomen der Österreichischen Schule ging selbst der Chicago-Plan noch nicht weit genug. Sie misstrauten dem Staat und seiner Zentralbank. Daher plädierten Mises und Rothbard für eine radikale Reform des Geldwesens durch die Einführung eines reinen Goldstandards. Dieser unterscheidet sich allerdings fundamental von dem Teilreserve-Goldstandard unter Führung staatlicher Zentralbanken, der bis in die Dreißigerjahre herrschte. Weil staatliche Zentralbanken nie wirklich unabhängig sind und dazu neigen, die Wünsche der Politiker zu bedienen, forderten Mises und Rothbard, die Zentralbanken abzuschaffen und alle Banknoten und Sichteinlagen zu 100 Prozent mit Gold zu decken. Die Kredit- und Geldschöpfung aus dem Nichts wäre mit einem Schlag beendet, die Geldmenge legte nur noch so stark zu wie die geförderte Goldmenge. Bank-Runs sowie destruktive Boom-Bust-Zyklen gehörten der Vergangenheit an, und die Schuldenexzesse von Staat und Bürgern wären gestoppt.
Doch so klar die Vorteile des reinen Goldstandards sind, so schwierig dürfte seine Umsetzung heutzutage sein, nachdem die Zentralbanken die Welt mit Papiergeld geflutet haben. Deckte man die aktuelle Euro-Geldmenge M1 (Bargeld und Sichteinlagen) zu 100 Prozent mit den Goldreserven der Euro-Zone von insgesamt rund 346 Millionen Feinunzen, katapultierte dies den Goldpreis von derzeit rund 1200 auf rund 16 400 Euro in die Höhe. Dies hat Thorsten Polleit, Chefökonom der Degussa, ausgerechnet. Der damit verbundene Vermögenszuwachs der Gold- und Goldminenbesitzer würde wohl hitzige Umverteilungsdebatten auslösen.
Zudem drohte ein vorübergehender Inflationsschock. Denn der höhere Goldpreis verstärkte die Goldförderung und löste so eine massive Ausweitung der Geldmenge aus. Um den Umstellungsschock abzumildern, schlägt Ökonom Huerta de Soto einen Stufenplan vor. Dieser sieht vor, die Sichteinlagen der Banken in einem Zwischenschritt zunächst durch das Bargeld aus den Kellern der Zentralbank zu decken. Diese sollte die Geldmenge vorübergehend um einen konstanten Prozentsatz pro Jahr ausweiten, indem sie Gold erwirbt. So bewegte sich der Goldpreis allmählich nach oben, der Höhenflug beim finalen Übergang auf die volle Golddeckung könnte abgemildert werden. Nach der Umstellung müsste die Zentralbank abgeschafft und freier Währungswettbewerb eingeführt werden. So müsste sich die neue Goldwährung ständig im Wettbewerb behaupten, und die Gesellschaft hielte sich die Option auf neue Geldarten offen.
Der Gedanke, das beste Geld im Wettbewerb zu ermitteln, prägt auch den Vorschlag des Wirtschaftsnobelpreisträgers Hayek. Anders als sein Lehrer Mises wollte Hayek die staatliche Zentralbank nicht gleich abschaffen, sondern sie dem Wettbewerb mit privaten Währungen aussetzen. Der Druck des Wettbewerbs soll die Zentralbank von einer inflationären Geldpolitik abhalten. Regierungen und Banken könnten sich dann nicht mehr auf die Hilfe der Notenpresse verlassen und müssten ihre Haushalte sanieren – beziehungsweise ihre Kreditvergabe zurückfahren.
Allerdings hat auch Hayeks Vorschlag einen Haken. Setzen sich die privaten Konkurrenzwährungen gegen das Staatsgeld durch, könnten die in Staatsgeld gehaltenen Ersparnisse der Bürger entwertet werden. Um das zu verhindern, dürfte die Regierung den privaten Konkurrenten durch Gesetze und Regulierungen das Leben schwer machen. Ein fairer Wettbewerb käme dann nicht zustande.
Währungswettbewerb und Abschaffung der Zentralbanken – für die Vertreter der Monetative sind das keine Optionen. Sie sehen das Problem des Geldwesens nicht bei der Zentralbank, sondern allein bei den Banken. Daher wollen sie wie die Ökonomen der Österreichischen Schule das Teilreservesystem abschaffen. Die Macht der staatlichen Zentralbank soll hingegen ausgebaut werden. Für ihre Ideen werben sie nicht etwa in akademischen Fachzeitschriften, sondern auf der Straße.
So wie Hansruedi Weber. Mindestens einmal in der Woche stand er in den vergangenen Monaten auf den Straßen seiner Heimatstadt Baden in der Schweiz. Baden liegt eine halbe Stunde Zugfahrt von der Hauptstadt Zürich entfernt, die wichtigste Attraktion der Stadt ist die Spielbank, es ist die größte im ganzen Land. Doch Weber kommt es so vor, als sei die Zockerei mit ungedeckten Geldbeträgen keine Badener Spezialität mehr, sondern die Realität des modernen Kapitalismus: „Wie im Kasino haben die handelnden Personen in der Realwirtschaft längst die Kontrolle über ihr Geld verloren. Die Banken vereinen alle Macht auf sich!“
Der kleine Mann mit dem schlohweißen Haar wird dann schnell ärgerlich. Mit ein paar Gleichgesinnten hat er vor sechs Jahren den Verein Monetäre Modernisierung gegründet, um seinen Ärger in die Welt zu tragen. Bald war der Zulauf so groß, dass sie daraus eine Volksinitiative machten, die „Vollgeldinitiative“.
100 000 Unterschriften brauchen sie, um zur Abstimmung zu gelangen, 25 000 haben sie beisammen, ein Jahr Zeit bleibt ihnen noch. Ihn haben die Ideen infiziert, um derentwillen er sich seit gut zwei Jahren kaum noch eine ruhige Minute gönnt. Weber war mal Lehrer, studierte nebenbei ein bisschen Philosophie und Volkswirtschaft. Irgendwann fiel ihm dabei das Buch „Geldschöpfung in öffentlicher Hand“ des deutschen Ökonomen Joseph Huber zu. „Danach konnte ich nicht mehr weitermachen wie zuvor“, sagt Weber.
Denn auch Hubers Plan zur Geldreform hat es in sich. Er sieht vor, die staatliche Zentralbank zu einer unabhängigen vierten Gewalt im Staat aufzubauen. Als „Monetative“ träte sie neben die Exekutive, Legislative und die Judikative. Die staatliche Zentralbank hat dann das ausschließliche Recht, neues Geld in Umlauf zu bringen. Bisher gilt das nur für das Bargeld, in Zukunft auch für die Sichteinlagen bei Banken.
Dabei könnte das Geld auf zwei Wegen bei den Bürgern landen. Zum einen könnte die Zentralbank dem Staat einen zinslosen ewigen Kredit gewähren und ihm den Geldbetrag auf dessen Konto bei der Zentralbank gutschreiben. Die Regierung finanziert mit dem Geld dann ihre laufenden Ausgaben, sie tilgt Schulden oder senkt die Steuern. Via Banküberweisung landet das Geld schließlich auf den Sichteinlagenkonten der Bürger und Unternehmen.
Alternativ wäre es denkbar, dass die Zentralbank jedem Bürger schlicht Geld schenkt, diese „Bürgerdividende“ landete dann direkt auf dessen Girokonto.
Spült die Zentralbank ebenso viel neues Geld in die Wirtschaft, wie neue Güter produziert werden, bleiben die Preise stabil. Das bereits vorhandene Buchgeld wollen die Vertreter der Monetative aus der Wirtschaft herausschleusen. Dazu müssten die Banken das von ihnen vor der Reform aus dem Nichts geschaffene Geld an die Zentralbank zurückzahlen, sobald ihre Kunden ihre Kredite tilgen.
Künftig hätten die Finanzhäuser keine Möglichkeit mehr, eigenständig neues Geld in die Welt zu setzen. Denn die Girokonten der Kunden werden aus den Bilanzen der Banken ausgegliedert und von diesen nur noch verwaltet, so wie ein immaterieller Tresor. Wollen die Banken Kredite vergeben, müssen sie Sparer finden, die bereit sind, ihnen Geld zu leihen, das die Zentralbank zuvor in die Wirtschaft gepumpt hat. Auf diese Weise werden die Banken – ebenso wie in einem reinen Goldstandard – wieder zu dem, was sie einmal waren: reine Depotverwalter und Vermittler zwischen Sparern und Investoren. Es entstünde ein neuer Nukleus für eine gesunde Finanzwirtschaft.
Es ist diese Schnittmenge zwischen den Vorstellungen der Monetative und den Anhängern der Österreichischen Schule, die den bekennenden „Österreicher“ Mayer an diesem Novembertag nach Berlin getrieben hat. Allerdings fürchtet Mayer, dass die Vorstellung, die Zentralbank könne als rechtlich unabhängige Instanz dem Zugriff der Politik komplett entzogen werden, doch ein bisschen naiv ist. „Die politische Korruption der staatlichen Zentralbank ist genau das Problem und der Grund, warum Geld entweder mit Gold gedeckt oder in Konkurrenz produziert werden sollte“, sagt der Ökonom. Mit dem Verein Monetative teile er zwar die Absicht, die öffentlich-private Partnerschaft der Geldproduktion abzuschaffen. Danach aber möchte er das Geld – ganz in der Tradition der Österreichischen Schule – privatisieren, nicht verstaatlichen.
Bleibt die Frage, ob die Reformrezepte der „Österreicher“ oder der „Monetative“ jemals verwirklicht werden können. Die Chance, das Geldwesen durch einen politisch gesteuerten Prozess auf eine gesündere Basis zu stellen, dürfte gering sein. Zu groß ist der Widerstand derjenigen, die vom Status quo profitieren. Und so könnte sich auch beim Geldwesen zeigen: Revolutionen dauern meistens etwas länger.
Aber wenn sie kommen, dann mit Macht. Vielleicht muss das alte System dazu erst am Boden liegen.
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